Ja, sie haben es auch dieses Mal wieder getan. Und jeder konnte es im Fernsehen mitverfolgen. Kaum hatte man den tapferen Olympioniken eine Medaille um den Hals gehängt, nahmen sie diese strahlend in den Mund und bissen drauf.
Warum machen die das? Hatten wir nicht schon als Kinder gelernt: Nichts in den Mund nehmen, was andere Leute vorher schon in der Hand hatten. Deshalb ist die Medaillenbeißerei gut für den Umsatz des behandelnden Zahnarztes, ansonsten stellt sie aber in meinen Augen eine ziemlich sinnfreie Handlung dar. Einzige Erklärung für mich wäre höchstens: Die Athleten testen final, ob die Dinger wirklich aus Edelmetall und nicht (wie bei uns Kindern früher) aus Gummi-Schokolade bestehen. Das ist jetzt aber schon weit hergeholt.
Und was hat das alles jetzt mit Motorradfahren zu tun? Auch hier machen wir sinnlose Dinge. Zum Beispiel die Grüßerei untereinander. Kaum kommt uns ein Einspurfahrzeug entgegen, zuckt die Linke reflexartig nach oben. Nur, um anschließend zu entscheiden: Zurückgegrüßt – guter Biker! Nicht gegrüßt? Depp!
Dabei stammt die Grüßerei noch aus einer Zeit, in der Motorradfahrer selten und ihre Zusammengehörigkeit erheblich größer war. Wenn da einer am Straßenrand stand, der erkennbar nicht zum Rauchen angehalten hatte, dann hielt man – und das war Ehrensache – an und fragte, ob man helfen könne. Heute interessiert nicht einmal die eingeschaltete Warnblinkanlage.
In einer fernen Zeit, in der ein Motorrad als Fortbewegung nicht mehr und als Sportgerät noch nicht anerkannt war, gab es ein paar Windgesichter, die sich auf hausbackenen BMW oder alten englischen und immer leicht ölenden Motorrädern, vielleicht auch ein paar Italienern die Szene aufteilten. Moppeds zählten damals schon nichts. Und werden deshalb heute auch nicht gegrüßt. Basta!
Deshalb hat man Rollerfahrer genauso wenig wie 125er Piloten zu grüßen! Und ärgert sich, wenn einem die Linke doch rausgerutscht ist. Ist ja nicht immer ganz einfach, wenn die kleinen Biester wie richtige Bikes, und Roller wie große Reisedampfer aussehen.
Damals, so denke ich, ergab das Grüßen noch einen Sinn. Grüß ich aber heute nicht ständig jemanden, der mir entgegenkommt, mit dem ich aber nachher am Bikertreffpunkt keinen Satz wechseln werde? Weil er die falsche Marke fährt, die falschen Klamotten trägt, oder über die falsche Partei schwadroniert. Never!
Wo käme ich denn da hin, dann könnte ich auch gleich in der Fußgängerzone jeden grüßen, dessen Shirt die gleiche Farbe wie meins hat. Oder eine Sonnenbrille trägt.
Weit käme ich bestimmt nicht, bis mich ein paar amtliche Herren freundlich, aber bestimmt fragen würden, ob ich denn alle Latten am Zaun hätte. Oder was für Zeuch ich geraucht habe.
Nur auf der Straße, da sind wir Biker immer noch die dicken Kumpel und grüßen, was das Zeug hält. Und das schon lange nicht mehr aus Überzeugung. Sondern weil es schon immer so gemacht wird – und es außerdem sooo cool ist. Oder weil inzwischen der Reflex ganz tief drin steckt. Biker! Freiheit! Grüßen! Narhallamarsch! Ich schweife ab.
Ich wollte dabei gar nicht gegen das Grüßen wettern. Wir leben schließlich in einem freien Land, hier kann jeder beim Motorradfahren mit seinen Händen anstellen, was er will.
Andererseits konnte ich auch schon Zeitgenossen erleben, die sich durch die Permanentwinkerei in Situationen gebracht haben, aus denen sie danach nur mit viel Glück wieder sturzfrei rauskamen.
Weil beide Hände am Lenker und der Blick auf die eigene Fahrbahn manchmal gar nicht so verkehrt sind.
Editorial: Die Linke zum Gruß
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